Hustle Culture

Ein eigenes Haus mit angrenzender Garage, in der ein Sportwagen steht und ein Garten – ach was, Park – der alles umgibt. Der Pool darf natürlich auch nicht fehlen. Und das Beste? Jeder von uns kann diesen Traum zur Wirklichkeit machen. Alles was es braucht, ist eine Passion, Disziplin und harte Arbeit. Viel harte Arbeit zugegeben. Aber es lohnt sich. Es ist das Bild des American Dream, dass jeder alles erreichen kann, ungeachtet der Herkunft. Im 21. Jahrhundert sprechen die meisten Menschen nur nicht mehr vom amerikanischen Traum, sondern nutzen den internationalisierten Begriff der „Hustle Culture“. 

Diesen Drang, möglichst jede Minute für die Arbeit aufzuopfern, wird von den ganz großen Unternehmern wie beispielsweise Elon Musk vorgelebt, der im Schnitt 80 bis 100 Stunden in der Woche bei SpaceX, Tesla und Co. herumgeistert. Auf YouTube sammeln Persönlichkeiten wie der Psychologe und Buchautor Jordan Peterson Millionen von Klicks, der rund 14 Stunden pro Tag arbeitet. 

Und da es bei ihnen funktioniert hat, warum soll es nicht auch bei einem selbst klappen? Es ist kein Wunder, dass die Hustle Culture sich gerade online großer Beliebtheit erfreut, wo man sich doch immerzu mit anderen Nutzern in den Sozialen Medien vergleichen kann und es einfach ist zu denken, man selbst würde zu wenig für den eigenen Erfolg machen. 

Der Kult rund um die Hustle Culture mag in einigen Fällen wirklich funktionieren, wie die Beispiele Musk und Peterson zeigen – auch wenn es berühmte Einzelfälle sind. Man übersieht dennoch wichtige Aspekte, wie die Forschung beweist. 

DAS PROBLEM MIT DER HUSTLE CULTURE

„Die Idee, dass das Geheimnis von Erfolg mehr zu arbeiten ist, ist nicht wahr“, erklärte Ex-Twitter Vice President und Bestseller-Autor Bruce Daisley auf der „UNLEASH“-Konferenz 2018 in London. Arbeitswochen, die länger als 55 Stunden seien, würden demnach die Kreativität von Menschen verschlechtern. „Mehr Stunden bedeuten zwar, dass Angestellte mehr arbeiten, dennoch erreichen sie in dieser Zeit sogar weniger.“ Daisley führte an, dass laut Studien rund die Hälfte aller Angestellten, die Überstunden machen und außerhalb der Arbeit Mails checken, Zeichen von starkem Stress zeigen. „Stress ist ein Trigger für das Angstsystem. Das hat zur Konsequenz, dass die Angst der Kreativität und der Fähigkeit neue Ideen zu generieren, schadet.“ E-Mails und Automatisierungsprozesse würden alles nur verschlimmern. „Vor ein paar Jahren haben Mitarbeiter*innen noch darum gefleht, die Möglichkeit zu haben ihre Arbeitsmails auf das Handy geschickt zu bekommen. Das hat den durchschnittlichen Arbeitstag von 7,5 Stunden auf 9,5 Stunden verlängert.“

Die Arbeitstage werden im Schnitt also länger, doch die Zeit, die uns zur Verfügung wird, wird es nicht. Es ist eine logische Konsequenz, dass in anderen Bereichen Opfer gebracht werden müssen. Menschen, die sehr viel arbeiten, haben oft nicht mehr die Kraft und die Motivation etwas für ihren Körper zu tun – sei es Sport, ein Spaziergang oder gesundes Essen. Vielleicht leiden aber auch die sozialen Kontakte. Einem Treffen mit Freunden abzusagen, weil man so „beschäftigt mit der Arbeit ist“, mag in manchen Ohren sogar gut klingen. Schließlich bedeutet es, dass man gebraucht wird. Man stellt etwas mit seinem Leben an, oder nicht? 

Eine Entscheidung, die viele Menschen im Laufe ihres Lebens bereuen. Eine nun schon seit über 75 Jahren laufende Studie hat gezeigt, dass gerade die sozialen Kontakte das wiederkehrende Muster im Leben von Menschen sind, die sich selbst als glücklich einschätzen. Nicht nur führen sie zu mehr Zufriedenheit im Leben, sondern erhöhen auch deutlich die Wahrscheinlichkeit für eine bessere Gesundheit. Falls ihr euch für weitere Ergebnisse interessiert, findet ihr hier mehr Infos

WENIGER IST MEHR

Die Antwort auf ein erfülltes Leben UND Erfolg im Arbeitsleben muss und sollte nicht die Hustle Culture sein. Das beweist auch ein von 2015 bis 2019 stattfindendes Experiment aus Island, welches rund 1% seiner Einwohner, also 2.500 Menschen, eine 4-Tage-Woche anbot, oder die Stunden von 40 auf 35 Stunden reduzierte. Nicht nur fühlten sich Mitarbeiter deutlich weniger gestresst und hatten mehr Zeit für private Angelegenheiten, auch das Unternehmen profitierte davon. Während in manchen Fällen zumindest keine Einbuße in Bezug auf die Arbeitsleistung festzustellen waren, schafften die meisten Angestellten sogar mehr in der kürzeren Zeit. 

Will Stronge, der Untersuchungsleiter, fasste die Ergebnisse gegenüber der BBC zusammen. „Die Studie zeigt, dass der weltgrößte Versuch, die Arbeitswoche im öffentlichen Sektor zu verkürzen, unter Berücksichtigung aller Faktoren ein überwältigender Erfolg war.“ Er hofft, dass Regierungen basierend auf diesen Ergebnissen lernen werden. 

Mehr zu arbeiten, bedeutet also nicht mehr Erfolg – der Grundgedanke der Hustle Culture, harte Arbeit möge zum Ziel führen, ist nachvollziehbar. Und ja, es gibt Abschnitte im Leben, da können stressigere Phasen mit mehr Arbeitszeit sogar sinnvoll sein. Man sollte nur immer darauf achten, dass Dinge wie Überstunden ein Sprint bleiben und nicht zum Marathon ausarten, der nach und nach zur Gewohnheit wird. Für die eigene Gesundheit und die Produktivität.

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