Gendern

Gendern – kaum ein Thema ist so umstritten und vielen so verhasst wie die Diskussionen um Unterstrich, Gendersternchen und Binnen-I. Dabei werden unzählige Argumente für und gegen die Verwendung der sogenannten gendergerechten Sprache ausgetauscht. Es sei elitär und verschandele die Sprache, sagen die einen, es sei notwendig, um für eine gerechtere Gesellschaft zu sorgen, sagen die anderen.

Aber wie sieht es mit der geschlechtergerechten Ausdrucksweise eigentlich in anderen Ländern aus? Auf welche Weise wird dort versucht, eine inklusive Sprache durchzusetzen und inwiefern kann das überhaupt gelingen? Und lässt sich die Progressivität einer Gesellschaft wirklich am Umgang mit der Sprache messen? 

Um ein besseres Verständnis vom Thema zu bekommen, ist es ebenfalls wichtig, sich anzusehen, wie das Gendern in anderen Teilen der Welt umgesetzt wird. Denn bei den Bemühungen, eine geschlechtergerechte Sprache zu etablieren, handelt es sich in jeder Sprache um eine ganz individuelle, komplexe Angelegenheit, die schon bei einigen Sprach- und Sozialwissenschaftler*innen auf der ganzen Welt für Kopfzerbrechen sorgte. Aber nicht nur die Frage nach dem „richtigen“ Gendern ist wichtig, um sich mit dieser Angelegenheit ernsthaft auseinanderzusetzen, sondern auch die Art und Weise, wie die Diskussionen auf internationaler Ebene vonseiten der Gegner und Befürworter geführt werden und welche Argumente jeweils angeführt werden. Denn diese finden nämlich oft auf sehr unterschiedliche Weise statt und variieren (natürlich auch in erster Linie vor allem aufgrund der linguistischen Unterschiede zwischen den Sprachen) stark. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, welches sprachliche Mittel das passendste ist, um die Sprache inklusiver zu machen und auch welche Bezeichnungen wirklich als feministisch und gerecht zu betrachten sind. 

So handelt es sich bei dem hierzulande geläufigsten Mittel der geschlechtergerechten Sprache, dem Gendersternchen, tatsächlich um ein rein deutsches Phänomen und wir haben es auch mit dem Anhängen von „in“ an Berufsbezeichnungen vergleichsweise leicht mit der Verwendung von geschlechtsinklusiven Ausdrücken. Zusätzlich hätten wir theoretisch mit dem sprachlichen Neutrum auch eine dritte Option für Menschen, die sich weder als weiblich noch als männlich identifizieren. Da dieses jedoch stark mit Gegenständen (und absurderweise Kindern) assoziiert wird, ist es jedoch nachvollziehbar, dass viele Menschen die Bezeichnung „es“ in Bezug auf Personen für nicht angebracht halten. 

In Sprachen wie dem Französischen und Spanischen verhält es sich insofern anders mit dem Gendern, als dass diese viel mehr auf das Geschlecht eines Begriffs bezogen sind als im Deutschen, da es auch kein grammatikalisches Neutrum gibt und somit ein Begriff stets entweder einen „femininen“ oder einen „maskulinen“ Artikel trägt. So wird in diesen beiden Sprachen ebenfalls das sogenannte „generische Maskulinum“ verwendet. Wenn von einer gemischten Gruppe die Rede ist, in der sich nur ein Mann befindet, wird nach wie vor die männliche Pluralform benutzt. Im Französischen hat man sich jedoch im akademischen Kontext darauf geeinigt, das geschlechtsneutrale „e“ anstelle von den eindeutig geschlechtsbezogenen Vokalen zu verwenden, um nicht-binäre Personen mit einzubinden. Dies ist am Beispiel des Wortes für Schauspieler „acteure“ ersichtlich (im Gegensatz zu den geschlechtsspezifischen Begriffen „actrice“ und „acteur“). Zudem existiert als Äquivalent zum deutschen Gendersternchen im Französischen der sogenannte Genderpunkt, der die verschiedenen geschlechtsbezogenen Silben in das Wort mit einbinden soll. Jedoch wird dieses sprachliche Mittel in geschriebenen Sätzen wie auch in der gesprochenen Sprache noch als etwas gewöhnungsbedürftig erachtet. 

Im Sinne einer inklusiven Ausdrucksweise werden im Spanischen bei der Anrede häufig die männliche und die weibliche Form nacheinander genannt, da sich hierbei (anders als im Deutschen) die maskuline und die feminine Variante eines Begriffes schlechter kombinieren lassen. Dafür gibt es jedoch auch die Vorgehensweise, in der geschriebenen Sprache (anstelle der männlichen Endung „-os“) die Alternative „-es“ für gemischte Gruppen zu verwenden. Zudem gibt es die Bemühung, weibliche Begriffe für Berufsbezeichnungen zu etablieren, für die es eigentlich nur eine männliche Form gibt. So hat sich in Argentinien zusammen mit der weiblichen Staatschefin Cristina Kirchner statt der bisherigen grammatikalisch korrekten Form „la presidente“ die gegenderte Bezeichnung „la presidenta“ durchgesetzt. 

Was Berufsbezeichnungen betrifft, ergibt sich auch in anderen Sprachen die Frage nach geschlechtergerechten Ausdrücken. So gibt es im Russischen beispielsweise keine weiblichen Bezeichnungen für Tätigkeiten, die nicht auch traditionell von Frauen ausgeführt wurden wie Lehrerin und Krankenschwester. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, verwendet man den sogenannten „Feminitiv“ und hängt der Berufsbezeichnung des Autors das Suffix -ka an, sodass die weibliche Schriftstellerin zur „Autorka“ wird. Das lehnen jedoch nicht nur Gendergegner*innen, sondern auch einige Feminist*innen ab, da die Wortendung -ka in der Sprache grundsätzlich als verkleinernd und verniedlichend gebraucht wird. Dieses Problem gibt es beispielsweise im Arabischen nicht, da die weibliche Endung nicht als Diminutiv dient und sich somit aus dem Ingenieur (muhandis) ganz einfach die weibliche Form „muhandisa“ ergibt. Man sieht an diesen Beispielen jedoch sehr eindrücklich, wie schwierig es ist, sich in verschiedenen Sprachen geschlechterinklusiv auszudrücken und welche sprachindividuellen Problemstellungen dabei Schwierigkeiten bereiten können. 

GENDERN ALS AKADEMISCHES PHÄNOMEN?

Zusätzlich ist die gendergerechte Sprache auch in anderen Ländern gesellschaftlich sehr umstritten. So wird oft argumentiert, dass es sich dabei um ein nahezu rein akademisches (und somit auch elitäres) Phänomen handelt. Denn die genderinklusive Sprache scheint noch nicht so ganz im Alltag der meisten Menschen angekommen zu sein und daher wird auch oft argumentiert werden, dass der permanente sprachliche Fokus auf das Geschlecht eher spaltet als zusammenbringt. Somit steht für viele Menschen fest, dass die genderbewusste Sprache ihren ursprünglichen Anspruch, für eine inklusive Gesellschaft zu stehen, bei Weitem noch nicht erreicht hat. In den Vereinigten Staaten hat sich beispielsweise die genderinklusive Bezeichnung für lateinamerikanische Bürger*innen „Latinx“ kaum durchgesetzt, da einer Studie zufolge lediglich drei Prozent der Betroffenen diesen Ausdruck verwenden und dies auch nicht selten damit begründen, dass ihnen der Begriff nicht geläufig ist. Zudem lässt sich auch beobachten, dass in einigen Ländern (wie etwa in Italien oder Spanien) das Thema bei Weitem nicht so intensiv diskutiert wird wie hierzulande. Jedoch ist es meiner Auffassung nach trotzdem wichtig, die unterschiedlichen Herangehensweisen in den verschiedenen Sprachen zu betrachten, um ein differenziertes Bild von der Perspektive, die die Menschen auf das Gendern haben, zu erhalten, da es sich bei den Bemühungen um eine gerechtere Gesellschaft natürlich um etwas Positives handelt. Die zentrale Frage besteht allerdings meiner Meinung nach dabei vor allem in der sinnvollen Umsetzung dieses wichtigen Grundgedankens – und das ist bei Weitem nicht nur eine sprachliche Herausforderung. 

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