Prächtig in allen Farben leuchten die Perlen der kenianischen Samburu-Mädchen in der Sonne. Doch die Schönheit trügt. Sie sind „Geschenke“ junger Samburu-Krieger, die allerdings ihren Preis haben. Die Perlen sind als eine Art Besitzurkunde zu verstehen, die den Männern das Recht gibt, wann und wo immer sie wollen, mit ihrem Mädchen Sex zu haben.

Die Samburu folgten früher einem nomadischen Lebensstil, werden aber vermehrt seit dem frühen 20. Jahrhundert ihres Lebensraumes beraubt. Waren es um 1920 noch weiße Farmer, die frisch ansiedelten, stehen sie heute direkt mit der Regierung in Konflikt. Aus diesem Grund leben die meisten Samburu inzwischen in kleinen Siedlungen und Hütten in der zentralkenianischen Hochebene, wo sie neben der Viehhaltung auch begonnen haben, Getreide und Gemüse anzubauen. 

Rosila, ein Samburu-Mädchen, wurde mit neun Jahren von ihrem Vater an einen viel älteren Mann verheiratet. „Eines Tages kam dieser Mann zu uns nach Hause. Er hatte Zucker und Geld dabei. Mein Vater sagte: ‚Das ist dein Ehemann’“, erzählt sie gegenüber der ARD

Am Tag der Hochzeit wurde Rosila beschnitten. „Danach haben sie mich zu dem neuen Zuhause gebracht. Ich kannte da niemanden. Die Mutter von meinem neuen Mann war da. Ich hatte große Schmerzen wegen der Beschneidung.“

Es sind Schicksale wie diese, die immer wieder afrikanische Held*innen hervorbringen, die sich gegen traditionelles Recht stellen und für die Rechte von Frauen eintreten. 

Ein Ticket in ein neues Leben

Josephine Kulea ist eine von ihnen. Sie war selbst ein Samburu-Mädchen und beschloss gegen den sexuellen Missbrauch vorzugehen. Sie begann mit der Rettung ihrer eigenen Cousine, die mit einem Mann verheiratet war, der ein ähnliches Alter wie ihr Vater zählte. Ihr Onkel bot daraufhin die jüngere Schwester als Ersatzbraut an, weshalb Kulea die Polizei einschalten musste. Als Antwort belegten die Ältesten ihrer Gemeinde sie mit einem Fluch.

Josephine Kulea zu Gast im Weißen Haus im Jahr 2014 // Foto: Official White House Photo by Pete Souza

Trotz aller Widerstände kämpfte Kulea weiter. Schon bald beherbergte sie in ihrem Haus 20 kleine Mädchen und kam kaum mit den Hilferufen hinterher. Freunde, Kirchen- und andere Gemeindemitglieder unterstützten sie dabei heimlich. 2011 gründete Kulea die „SAMBURU GIRLS FOUNDATION“ (SGF), welche die Arbeit von einer Gemeinde auf vier Gebiete in Kenia ausweiten konnte. Die SGF hilft dabei nicht nur jungen Mädchen, den „schädlichen und rückschrittlichen Praktiken der Beschneidung, Kinderheirat und Perlenstickerei“ zu entkommen, sondern will auch Lebenschancen und psychosoziale Betreuung bereitstellen. 

Rosila ist eines der Mädchen, die dank Kulea der Unterdrückung entfliehen konnte. Zufällig trafen sich die beiden in der Stadt – ein Zufall, der für Rosila ein Ticket in ein selbstbestimmteres Leben war. Sie bekam die Chance, auf das katholische St. Marys-Internat zu gehen, wo sie im Gegensatz zu vielen anderen Samburu-Mädchen eine schulische Ausbildung genießt.

Kulea setzt auf Dialog statt reine Konfrontation. So grausam und veraltet der Umgang mit den Frauen in der Samburu-Kultur auch sein möge, es sei nicht zielführend, die facettenreiche Tradition per se zu verurteilen. „Wir wollen die guten Seiten der Tradition erhalten und die schlechten unterbinden“, erklärt Kulea. Vielen Samburu sei gar nicht bewusst, dass der Sex und die Heirat von Minderjährigen unter 18 nach kenianischem Recht verboten ist.  

Das Frauendorf Umoja

Kulea ist aber nicht alleine in ihrem Kampf gegen die Misshandlung von Frauen. 

Rebecca Lolosoli wurde 1962 in dem kleinen Ort Wamba im Samburu-Distrikt als Tochter eines Samburu-Chiefs geboren. Nachdem die Samburu-Frau Meronie vor Lolosolis Augen erschlagen wird, schwört sie sich, gegen die Missachtung von Frauen in ihrer Kultur zu kämpfen. Als sie an den Folgen ihrer Beschneidung mit 13 Jahren fast stirbt, verspürt sie keinen Stolz „eine richtige Frau“ zu sein, sondern ist niedergeschlagen. 

Lolosoli fällt immer wieder als selbstbewusste Samburu auf. Als ihr Schwiegervater sie eines Tages mit einem Stock schlagen will und sich auf traditionelles Recht beruft, schlägt sie ihm die Waffe aus der Hand und fordert ihn auf, sie nie wieder anzurühren. So ist es auch kein Wunder, dass ihr späterer Laden, den sie in Archer’s Post gründet, zu einer Anlaufstelle für junge Frauen in Not wird, die von britischen Soldaten vergewaltigt und den eigenen Ehemännern geschlagen wurden. Gemeinsam mit einer der Frauen, Nagusi, fasst sie in den 1990ern einen Entschluss und beginnt eine eigene Hütte ohne Männer zu erbauen. Die entsprechenden Kenntnisse hat sie ohnehin, da das Bauen von Siedlungen traditionell bei den Samburu von den Frauen erledigt wird. Aus der Hütte wuchs das Frauendorf Umoja heran, in dem heute nur Frauen und Kinder leben. Sie fordern ein Recht auf ein Leben ohne Gewalt und wollen neue Modelle für mehr Gesundheit und Freiheit von Frauen entwickeln. 

So einfach es aus Sicht westlicher Medien auch sein mag, mit anklagendem Finger auf den afrikanischen Kontinent zu zeigen, wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen geht, so wichtig ist auch die andere Seite zu sehen. Es ist auch ein Kontinent mit starken Frauen, die vorangehen – wie man an den Beispielen Kulea und Lolosoli sieht. 

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