Seit einem Jahr spielt sich ein Großteil unseres Lebens online ab: Uni, Arbeit und Treffen mit Freund*innen laufen nur noch vom eigenen Schreibtisch aus. Videoplattformen wie Zoom, Skype oder Microsoft Teams sind in diesen Zeiten unverzichtbar – doch die ständigen Calls und Konferenzen können einigen Menschen ganz schön aufs Gemüt schlagen.

Was bedeutet Zoom Fatigue?

Unter dem Begriff „Zoom Fatigue“, bennant nach dem Softwareunternehmen Zoom und dem französischen Wort für Müdigkeit, fassen Expert*innen Ermüdungserscheinungen zusammen, die durch den häufigen Besuch von Videokonferenzen zustande kommen. Erstmals tauchte die Bezeichnung im April 2020 auf, mittlerweile beschäftigen sich Forscher*innen auf der ganzen Welt mit dem medizinischen Phänomen. Zoom Fatigue kann durch verschiedene Faktoren zustande kommen: Videoanrufe erfordern normalerweise eine besondere Aufmerksamkeit, da mehrere Menschen gleichzeitig zu sehen sind, häufiger durcheinander gesprochen wird und die oft mangelnde Qualität zusätzliche Verständnisschwierigkeiten hervorruft. Zudem fehlen nonverbale Signale wie Gesten oder Körperhaltung, die in einem persönlichen Gespräch leichter zu erkennen und zu entschlüsseln sind. Diese Umstände sorgen in ihrer Gesamtheit dafür, dass sich einige Menschen durch digitale Meetings und Besprechungen schnell ausgelaugt fühlen.

Wer leidet besonders stark?

Die Zoom Fatigue ist dabei je nach Personengruppe unterschiedlich stark ausgeprägt: Eine Studie konnte jetzt herausfinden, dass Frauen im Vergleich zu Männern deutlich stärker unter Videokonferenzen leiden. Im Rahmen ihrer Untersuchtung befragten Wissenschaftler*innen der Stanford University sowie der Universität Göteborg über 10.000 Personen, die allesamt an einer ähnlichen Anzahl von Videoanrufen teilgenommen hatten. Das Ergebnis: 14 Prozent der weiblichen Teilnehmerinnen klagten über Zoom Fatigue, unter den männlichen Befragten waren lediglich 5,5 Prozent betroffen. Den Grund dafür sieht der Psychologe Jeff Hancock in der sogenannten „Spiegelangst„: Während einer Videokonferenz sind die meisten Menschen dauerhaft mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert. Für Frauen geht dieser Zustand mit einer höheren psychischen Belastung einher, da sie dem Druck, einem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen, stärker ausgesetzt sind als ihre männlichen Mitbürger. Die Frauen versuchen somit, den Ansprüchen ihrer selbst und denen der „Zuschauer“ gerecht zu werden, was ihr Gehirn unter Stress setzt und letztendlich das Risiko für eine Zoom Fatigue erhöht. Neben weiblichen Personen sind auch introvertierte, jüngere Menschen sowie People of Color besonders gefährdet – warum das so ist, wollen die Forscher in zukünftigen Studien aufklären.

Wie lässt sich Zoom Fatigue vermeiden?

Die Ergebnisse der Untersuchung sind trotz allem kein Grund zur Sorge: Im Internet finden sich einige hilfreiche Tipps, mit denen man gegen drohende Zoom Fatigue vorgehen kann. So wird beispielsweise empfohlen, Multitasking zu vermeiden und sich während einer Videokonferenz nicht mit anderen Dingen zu beschäftigen. Außerdem sollten die Zahl der Meetings möglichst gering gehalten und mehrstündige Veranstaltungen bestenfalls auf mehrere Tage aufgeteilt werden. Auch der Hintergrund spielt eine wichtige Rolle: Für die Teilnehmer ist es angenehmer, Menschen vor einfarbigen Wänden zu sehen, anstatt den Blick auf Bücherregale, Fenster mit direktem Sonnenlicht oder eine unaufgeräumte Küche zu richten. Wer in seiner Wohnung keinen derartigen Platz finden kann, kann auf virtuelle Hintergründe der Hersteller zurückgreifen. Zu guter Letzt gilt auch bei Videokonferenzen, Rücksicht auf sich selbst und sein Wohlbefinden zu nehmen: Dazu sollten sich Essen und Getränke in greifbarer Nähe befinden, Störgeräusche reduziert werden und ab und an auch mal frische Luft ins Homeoffice gelassen werden. Und wer sich dennoch überfordert fühlt, sollte am besten eine kleine Pause einlegen, bis sich der eigene Körper von der anspruchsvollen Situation erholt hat. Schließlich dürfen wir nicht vergessen: Wir befinden uns momentan in einer globalen Pandemie, die für fast alle mit Stress, Sorgen und Ungewissheit verbunden ist – da ist es mehr als verzeihlich, sich ab und an eine Auszeit zu gönnen.

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