„Warum haben meine Freunde mehr Freunde als ich?“ – Solltest du jemals einen Gedanken dieser Art gehabt haben, bist du damit nicht allein. Sie sind sogar so häufig, dass die gesamte Thematik unter einem eigenen Begriff zusammengefasst werden kann. 

Scott Lauren Feld ist Psychologe und erlangte durch das sogenannte Freundschaftsparadoxon aus dem Jahr 1991 internationale Bekanntheit in der Forschung. Das von Feld beschriebene Freundschaftsparadoxon beschreibt das Phänomen, dass die Freunde im Schnitt fast immer mehr Freunde haben als man selbst. Ein Paradox, das sich dadurch erklären lässt, dass es wahrscheinlicher ist mit einer beliebten Person Freundschaften zu schließen als mit einer „unbeliebteren“ Person. Das liegt nicht daran, dass beliebtere Personen gleich cooler sind, sondern dass sie einfach mehr Möglichkeiten haben, Menschen kennen zu lernen. Am einfachsten erklären lässt sich das anhand einer vereinfachten Grafik. 

Inspiriert von: IFLScience; The American Journal of Sociology

Die erste Nummer über den Namen einer Person beschreibt die Anzahl der Freunde, die diese Person hat. Die Zahl in Klammern beschreibt die Durchschnittsanzahl der Freunde, die die Freunde einer Person haben. So hat Sophia einen Freund (Erwin), der seinerseits vier Freunde hat.  Es lässt sich an diesem fiktiven Beispiel ablesen, dass fünf von sieben Personen in diesem Netzwerk weniger Freunde haben als ihre Freunde im Durchschnitt. Feld bewies also mithilfe statistischer Durchschnittswerte das Freundschaftsparadox. 

Einzelgänger freunden sich eher mit Einzelgängern an

Die Erklärung, dass Menschen sich einfacher mit Personen anfreunden, die viele Freunde haben und sich somit als sozial kompatibel herausgestellt haben, war dem Mathematiker George Cantwell vom Santa Fe Institute im US-Bundesstaat New Mexico zu simpel. „Standardanalysen befassen sich mit dem durchschnittlichen Verhalten, aber es gibt jede Menge Unterschiede unter den Menschen“, erklärt Cantwell. „Durchschnittswerte können zum Beispiel durch ein paar Ausreißer verzerrt sein. Um ein vollständiges Bild zu erhalten, haben wir die gesamte Verteilung untersucht, die beschreibt, wie Menschen sich im Vergleich zu ihren Freunden verhalten – nicht nur im Durchschnitt.“

Aus den Untersuchungen ergab sich, dass beliebtere Menschen auch eher mit populäreren Menschen zusammen abhängen, während Einzelgänger sich eher mit Einzelgängern anfreunden. Dadurch bleibt ihr Freundeskreis tendenziell immer gleich groß. Über die Qualität dieser Freundschaften lässt sich aber nichts aussagen. Jedoch habe die Zahl der virtuellen Freunde auf Facebook, Instagram, Snapchat und Co. einen Effekt auf die Wahrnehmung des sozialen Status und der Popularität im normalen Leben. Durch die Sozialen Medien ist ein ständiger Vergleich möglich. Die US-Forscher sprechen daher von einem eher verallgemeinerten Freundschaftsparadox. Menschen, die mit vielen befreundet sind, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit Personen in ihrem Freundeskreis zu haben, die reicher und vermeintlich „schöner“ sind. Das Phänomen ist dabei in kleineren Freundeskreisen weniger ausgeprägt. 

Der klassische Football-Kapitän wird wahrscheinlich mehr Freunde haben, die beliebter sind als er selbst, wohingegen sich der Programmierer sich mit dem Modelleisenbahnfanatiker zusammensetzen wird. Das liegt aber nicht an der Popularität dieser Personen, sondern vielmehr daran, dass sich ähnliche Persönlichkeitstypen eher zusammentun. 

Die Sorge, als unpopulär im Vergleich mit den eigenen Freunden wahrgenommen zu werden hat also viel mehr etwas mit der subjektiven Wahrnehmung zu tun, die auch von den Sozialen Medien stark beeinflusst wird. Durch die sozialen Medien wird dieses Gefüge auseinander gebrochen und die Wahrnehmung von der Größe von Freundschaftskreisen stark verzerrt. Am Ende zählt aber auch nicht die Popularität oder die Anzahl von Freunden, sondern die Qualität dieser Freundschaften. 

Mehr zum Thema: