Bild: Yan Ke, CC0-Lizenz, via Unsplash (keine Änderungen vorgenommen)

In der westlichen Welt ist sie ein Star, in ihrer Heimat kennt sie fast niemand. Bei den vergangenen Oscars Ende April war die gebürtige Chinesin Chloé Zhao eine der Gewinner*innen des Abends. Ihr Film „Nomadland“, eine Adaption des 2017 veröffentlichten Sachbuchs der US-amerikanischen Autorin Jessica Bruder, konnte gleich drei der heiß begehrten Goldstatuen abräumen. Es ist ein Road-Movie, der von einer Witwe aus dem Bundesstaat Nevada handelt, die nach dem Tod ihres Mannes ihre Heimatstadt verlässt und ohne festes Ziel durch den Westen der USA zieht. Zhao ist erst die zweite Frau, die mit einem Oscar in der Kategorie Regie ausgezeichnet wurde.

Man müsste meinen, für die zentralistische Parteidiktatur unter Präsident Xi Jinping sei Zhao ein gefundenes Fressen für den chinesischen Hang zur Selbstdarstellung. Umso mehr verwundert, dass – in einer Umfrage des ZDF – Passanten von der im Westen zur Star-Regisseurin gewordenen Frau aus dem eigenen Land noch nie etwas gehört hatten. Im chinesischen Intranet sind auch keine Einträge von Chloé Zhao zu finden. Und ihr preisgekrönter Film? In Kinos ist er nicht zu sehen, Berichte und Besprechungen des Filmes sich nicht mehr verfügbar. 

Grund sind frühere Aussagen der 39-jährigen Regisseurin, in denen sie sich kritisch über ihr Herkunftsland äußert. In einem Interview vor sieben Jahren beschrieb sie China als einen Ort, an dem überall gelogen werde. Vieles, was sie als junger Mensch in China gelernt habe, sei nicht wahr gewesen. 

In ihrer Oscar-Dankesrede hatte Zhao bewusst Bezug auf ihr Heimatland China genommen und zitierte in ihrer Muttersprache die Zeile eines hunderte Jahre alten chinesischen Gedichtes, welches sie bereits in jungen Jahren sehr beeindruckt habe: „Bei ihrer Geburt sind alle Kinder gleich.“ 

Der Nutzen der Abhängigkeit 

Die Zensur Zhaos in der ostasiatischen Wirtschaftsmacht ist kein Einzelfall. Bereits 2019 berichtete „The New York Times“, dass „Bohemian Rhapsody“, ein Film, der die Geschichte Freddie Mercurys und seiner Kultband Queen behandelt, an den chinesischen Markt angepasst werden musste. Besonders die Hinweise auf die Sexualität des Leadsängers wurden massiv abgeändert. So seien Anspielungen auf seine Bisexualität, eine Szene, in der er mit seiner Verlobten über seine Sexualität spricht und eine Szene, in der er seinem zukünftigen Partner Jim Hutton vorgestellt wird, verändert worden. Ganz gestrichen wurden laut der „Times“ ein Auftritt Mercurys in Frauenkleidern. Insgesamt ist die chinesische Version rund drei Minuten kürzer als die Originalfassung. In China ist insbesondere Homosexualität nach wie vor ein Tabu-Thema. 

Im vergangenen Jahr gehörte China zu den wichtigsten Märkten für die Filme Hollywoods, obwohl die Kinos in China fast sechs Monate lang geschlossen hatten. Bereits seit September dürfen die Chinesen aber wieder dem Leinwand-Vergnügen frönen, deutlich früher als die von Corona viel länger gebeutelten US-amerikanischen Staaten, die sonst einen so wichtigen Markt für Hollywood darstellen. Es ist ein Trend, der von Marktbeobachtern schon vor dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus antizipiert wurde. Sie sagten voraus, dass Chinas Kinoumsatz schon bald der größte der Welt sein würde. Die Pandemie hat ihr Übriges getan und als Katalysator für diese Entwicklungen gedient. Daraus entsteht eine finanzielle Abhängigkeit Hollywoods, die der chinesische Präsident Xi Jinping auch in Zukunft mit Sicherheit nutzen wird, wie die Erfahrungen zeigen. 

Wie China den globalen Kinomarkt beeinflusst 

Xi Jinping hat eine klare Haltung gegenüber der Kunst, wie er bereits zu seinem Amtseintritt 2013 klarmachte. So habe seiner Auffassung nach Kunst „die fundamentale Aufgabe, dem Sozialismus zu dienen.“

Im ZDF-Interview fasst James Tager vom Autorenverband PEN America die Lage zusammen. „Die Lage ist einfach. Wer Chinas Regierung kritisiert, wird vom größten Kinomarkt der Welt ausgeschlossen. Das erhöht den Druck auf Hollywoods Bosse, das Spiel der Chinesen zu spielen.“ 

Dabei muss die Zensur sich nicht auf China selbst beschränken. Tager malt ein düsteres Bild. „Hollywood ist immer öfter bereit, generell Inhalte seiner Filme zu ändern – nicht nur der Filme, die in China gezeigt werden. So entscheidet Chinas Diktatur, was wir in der ganzen Welt sehen.“ Damit verrät der US-Gigant der Unterhaltungsbranche zum Teil auch die Wurzeln der eigenen Identität. 

Mehr zum Thema: