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Digitale Patientenakte – wie sinnvoll ist Lauterbachs Vorhaben?

Der Bundestag hat eines der zentralen Vorhaben von Gesundheitsminister Lauterbach verabschiedet: Ab dem Jahr 2025 soll jeder eine elektronische Patientenakte erhalten. Einige Kritiker empfinden die Pläne als übermäßig weitreichend, wie Tagesschau berichtet.

Im Fall eines Patienten oder einer Patientin, der oder die mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wird, kann jede Minute entscheidend sein. Oft fehlen entscheidende Informationen: Gibt es Vorerkrankungen oder Allergien? Welche Medikamente werden eingenommen? Bisher müssen sich die Ärztinnen und Ärzte diese Informationen mühsam zusammenstellen. Intensivmediziner Christian Karagiannidis kennt diese Herausforderungen aus seinem klinischen Alltag sehr gut. Ein Teammitglied muss oft telefonieren und Vorbefunde organisieren. Im besten Fall wird ein Fax von Praxen geschickt. Im schlimmsten Fall ist niemand erreichbar, und das Notfallteam befindet sich in einer Warteschleife. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren. Daher setzt Karagiannidis große Hoffnungen in die elektronische Patientenakte (ePA). Er ist der Meinung, dass die Akte Leben retten könnte, besonders wenn Patienten in Notfallsituationen nicht mehr ansprechbar sind.

Skeptiker haben Angst um Patientenschutz

Das digitale Gesundheitsgesetz von Minister Karl Lauterbach setzt die elektronische Patientenakte als zentrales Element ein, um eine „Aufholjagd“ in der Digitalisierung zu starten. Bisher nutzen nur etwa ein Prozent der Patientinnen und Patienten die digitale Akte, teilweise aufgrund der Notwendigkeit, sich selbst um die Freischaltung kümmern zu müssen. Die Registrierung ist zudem umständlich, und die Funktionalitäten sind begrenzt. Dies soll sich ändern. Ab 2025 erhalten alle automatisch eine digitale Akte, es sei denn, sie widersprechen aktiv.

Wird von einer Person keine ausdrückliche Meinung geäußert, erfolgt automatisch die Einrichtung einer digitalen Patientenakte. Patientenschützer äußern grundlegende Bedenken gegenüber diesem Vorgehen. Sie plädieren dafür, dass weiterhin eine aktive Zustimmung erforderlich ist, um eine elektronische Patientenakte zu erhalten. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Integration sensibler Daten, wie beispielsweise Informationen über die Behandlung von psychischen Erkrankungen, in die Akte. Ärzte sind dabei jedoch verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die Verarbeitung dieser Daten eingeschränkt werden kann. Dies betrifft nicht nur psychische Erkrankungen, sondern auch Informationen zu sexuell übertragbaren Infektionen und Schwangerschaftsabbrüchen.

Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber sieht diese Maßnahmen als unzureichend an. Die Bedenken liegen darin, dass Patientinnen und Patienten in Stresssituationen, beispielsweise während einer psychologischen Behandlung, überfordert sein könnten. In solchen Momenten könnten sie möglicherweise nicht die gleiche Entscheidung treffen wie in entspannter Atmosphäre und mit Beratung durch vertrauenswürdige Personen. Kelber befürchtet, dass dies dazu führen könnte, dass Daten in der elektronischen Patientenakte landen, was wiederum zu Diskriminierung und Stigmatisierung der Versicherten führen könnte.

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, Karl Lauterbach, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons (Keine Änderungen vorgenommen)

Marie Schulte

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