Categories: News

Kommentar: #OutInChurch – Die Kirche steht an einem Scheideweg

Zahlreiche Kirchenmitarbeiter*innen haben sich in einer überraschenden Aktion geoutet – wohl wissend, dass ihnen dafür eine Kündigung drohen kann.

Hinter der Aktion #OutInChurch stecken 125 Menschen, darunter Priester, Gemeinde- und Pastoralreferent*innen sowie Religionslehrer*innen und Mitarbeiter*innen aus der kirchlichen Verwaltung. Nun haben sie beschlossen, sich nicht länger mundtot machen zu lassen: Ob schwul, lesbisch, transsexuell oder nicht-binär – sie alle sind queer und sehen sich außerhalb von „traditionellen“ Geschlechterrollen. Damit gehören sie zu einer Personengruppe, die von der katholischen Kirche diskriminiert und regelrecht dämonisiert wird.

Die Natur des Schweigens

Homosexualität sei „widernatürlich“, Transsexualität „eine Auflehnung gegen das Schaffen Gottes“: Solche Aussagen kommen nicht selten aus dem Vatikan, der höchsten Instanz der katholischen Kirche. Aber was tun, wenn man den eigenen Glauben dennoch innerhalb der Kirche ausleben will? In diesem Fall heißt es zum Verdruss der Betroffenen leider – Klappe halten und möglichst unauffällig bleiben, sonst kann schnell die Kündigung drohen. Die ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ hat diese Erfahrungen gesammelt, zu sehen ist sie in der ARD-Mediathek (und das kann ich dir nur wärmstens empfehlen!)

Nun ist der Präzedenzfall eingetreten und die Kirche kann nicht mehr wegschauen: Wenn schon so viele Mitarbeiter*innen den Mut zusammengenommen haben, sich öffentlich zu outen oder zumindest diese Aktion zu unterstützen, dann gibt es vermutlich noch viel mehr Leute, die weiterhin lieber schweigen, als Repressionen in Kauf zu nehmen. Doch nun wurde der Fels bereits ins Rollen gebracht und es ist eher zu erwarten, dass weitere Kirchenmitglieder ihre Stimme erheben werden.

Es gibt nun kein Zurück mehr

Für beide Seiten geht es jetzt um die eigene und die gemeinsame Zukunft: Die Menschen, die sich im Rahmen dieser Aktion geoutet haben und uns über die Missstände in der katholischen Kirche sowie über Diskriminierungen und Anfeindungen aufgeklärt haben, müssen nun um ihre zukünftige Position bangen.

Die ausbleibende Transparenz bei der Verfolgung von Missbrauchsskandalen, diskriminierende Aussagen und Praktiken sowie vollkommen unrealistische Vorstellungen von Sexualität sorgen immer häufiger dafür, dass gerade junge Leute aus der Kirche austreten. Wenn die Kirche also auch in Zukunft in irgendeiner Form relevant sein will, dann müssen endlich Konsequenzen gezogen werden. Man wird sich hinter ALLE Menschen stellen müssen – unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Denn im Moment setzt die Kirche scheinbar alles daran, Neuzugänge zugunsten von veralteten Denkmustern und Hardliner*innen auszuschließen.

Für diese 125 Menschen geht es um ihren Job, ihre Berufung und um die freie Praktizierung ihres Glaubens. Für die Kirche geht es jetzt ums blanke Überleben.

Diese Artikel könnten dich ebenfalls interessieren:

„Man muss sich rechtfertigen“: Junges Engagement in der KircheTraditionen: Das haben wir immer schon so gemacht!Sternzeichen statt Gottheiten: Warum glauben so viele an Horoskope?

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Anna Shvets von Pexels; CC0-Lizenz

Recent Posts

Nachrichtenüberblick National am 04.01.2024: Wüst fordert bei Drittstaatenregelung Klarheit von Scholz

Olaf Scholz hatte den Ländern Anfang November die Zusage gegeben, er wolle prüfen, ob Asylverfahren…

4 Monaten ago

Nachrichtenüberblick International 04.01.2024: Putin entlässt 230 ukrainische Kriegsgefangene

Der Gefangenenaustausch rund um 230 ukrainischen Männern und Frauen ist der wohl Größte seit Beginn…

4 Monaten ago

Nach Streit um Teilnahme an US-Vorwahl: Trump wendet sich an das Oberste Gericht

Zwei Bundesstaaten haben die Frage, ob der ehemalige US-Präsident Donald Trump nach seiner mutmaßlichen Beteiligung…

4 Monaten ago

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes: Deutsche sollen den Libanon verlassen

Die Lage im Nahen Osten spitzt sich auch aufgrund des Todes eines Hamas-Funktionärs in Beirut…

4 Monaten ago

Nachrichtenüberblick Deutschland 02.01.: Mehrheit rechnet 2024 mit AfD-Ministerpräsidenten

Eine Mehrheit der Deutschen rechnet damit, dass es 2024 einen AfD-Ministerpräsidenten geben wird.

4 Monaten ago

Nachrichtenüberblick international 02.01.: Putin kündigt Ausweitung der Schläge gegen Ukraine an

Der russische Präsident Wladimir Putin führt mit unverminderter Härte seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zeichen…

4 Monaten ago